top of page

Burnout in der Erwerbsimkerei – Zwischen Honig, Hoffnung und harter Realität


ree

Die Landwirtschaft steht unter immensem Druck – und mit ihr ein oft übersehener Bereich: die Imkerei. Was früher als erfüllende Tätigkeit im Einklang mit der Natur galt, wird für viele Imkerinnen und Imker zur psychischen und finanziellen Belastung. Burnout ist längst kein Tabuthema mehr – auch nicht unter jenen, die mit Bienen arbeiten. Vielmehr ist es Ausdruck eines Systems, das nicht mehr trägt.


Die Realität vieler Imker in Österreich ist ernüchternd: Billiger Importhonig – häufig gepanscht oder falsch deklariert – dominiert die Regale. Die Preise für heimischen, echten Bienenhonig sind im Keller. Große Abfüller winken ab oder zahlen Beträge, die kaum die Produktionskosten decken. Für viele Berufsimker bleibt am Ende des Jahres ein Minus – trotz harter Arbeit, sieben Tage die Woche, in der Mittagshitze und spät in der Nacht.

Hinzu kommen schlechte Ernten infolge des Klimawandels, Wetterextremen und verschobenen Trachtverläufen. Blühzeiten verändern sich, Regen zerstört die Blüte, Hitze lässt den Nektar ausbleiben. Und selbst wenn alles passt, können Varroamilbe, Viren und andere Krankheiten innerhalb weniger Wochen ganze Bienenvölker dahinraffen. Die seelische Belastung, Jahr für Jahr Völkerverluste zu erleben, nagt an den Imkerinnen und Imkern – nicht nur wirtschaftlich, sondern auch emotional.


Denn Bienen sind mehr als nur Nutztiere. Wer imkert, ist mit seinen Völkern tief verbunden. Wenn sie sterben, stirbt ein Teil mit. Viele berichten von schlaflosen Nächten, innerer Unruhe, wachsender Verzweiflung. Der Frust über die mangelnde Wertschätzung in Politik und Gesellschaft, über immer neue bürokratische Auflagen, kombiniert mit finanzieller Unsicherheit – das alles führt zu einem hohen psychischen Druck.


Ein Blick auf die gesamte Landwirtschaft zeigt: Das Problem ist nicht individuell, sondern strukturell. Wie der steirische Rinderbauer Siegfried Salchenegger eindrücklich auf Facebook beschreibt, ist Burnout längst trauriger Alltag im bäuerlichen Leben. Viele Landwirte gelten als hart, stolz und belastbar – Schwäche zu zeigen oder Hilfe anzunehmen, widerspricht dem traditionellen Selbstbild. Doch genau dieses Schweigen und Aushalten führt viele an den Rand ihrer Kräfte. Der ständige Druck, die Erreichbarkeit, die Verantwortung – all das hinterlässt Spuren. Und wenn selbst körperliche Schmerzen, Schlaflosigkeit oder innere Unruhe ignoriert werden, ist der Weg ins Burnout oft vorgezeichnet. Salchenegger bringt es auf den Punkt: Nicht der Einzelne ist krank – das System ist es.

 

Zur ORF-Reportage: Wesentliche Erkenntnisse

Die Reportage unterstreicht, dass rund 60 % der österreichischen Bäuerinnen und Bauern an Burnout-Symptomen leiden. Besonders Männer schweigen aus Scham oder aufgrund verinnerlichter Rollenbilder. Existenzängste, Preisdruck und ein starker Leistungsanspruch führen oft zu emotionalem Zusammenbruch.


Landwirte wie Thomas Kerschaggl und Manfred König schildern offen ihren Weg durch das Burnout – von jahrelangem Schweigen bis zu Suizidgedanken. Erst professionelle Hilfe ermöglichte den Wendepunkt. Die Reportage zeigt auch, wie verbreitet das Verschweigen psychischer Probleme ist – häufig wird mit Alkohol oder Rückzug reagiert.


Hilfsangebote wie „Lebensqualität Bauernhof“ bieten seit Jahren psychosoziale Begleitung, auch bei Hofübergaben oder familiären Konflikten. Peer-Gruppen und Gesprächskreise könnten helfen, sind aber noch zu wenig bekannt.


Fazit

Burnout in der Imkerei ist kein Einzelfall, sondern Teil einer viel größeren Krise in der Landwirtschaft. Die körperliche Erschöpfung, der wirtschaftliche Druck und die seelische Belastung treffen viele – doch nur wenige sprechen darüber. Es braucht ein gesellschaftliches Umdenken, eine faire Honigpreispolitik, echte Unterstützung und vor allem: Raum für Menschlichkeit in einem System, das zu lange nur Leistung forderte.


LINKS

Kommentare


bottom of page