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Der versteckte Haken: Widersprüche in den Bemühungen der EU um Honigimporte aus der Ukraine

Die Europäische Kommission plant, die zollfreien Honigimporte aus der Ukraine drastisch auszuweiten – ein Schritt, der zwar wirtschaftlich und geopolitisch motiviert ist, jedoch erhebliche Widersprüche zu den Zielen der EU im Bereich Lebensmittelsicherheit, Binnenmarktschutz und Unterstützung der heimischen Imkerei offenbart. Der folgende Artikel beleuchtet die Risiken und unbeabsichtigten Folgen dieser Maßnahme und fordert eine kritische Neubewertung der Handelspolitik in sensiblen Agrarbereichen.



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Artikel von BeeLife 31.07.2025 - Übersetzt von Peter Frühwirth

Nachdem die Europäische Kommission ein neues Handelsabkommen mit der Ukraine vorgeschlagen hat, das jährlich bis zu 35.000 Tonnen zollfreie Honigimporte erlaubt, werden Fragen laut, inwieweit diese Entscheidung mit den allgemeinen Verpflichtungen der EU zur Unterstützung der europäischen Imkerei, der Lebensmittelsicherheit und den Prioritäten des EU-Binnenmarkts vereinbar ist. Das Abkommen ist zwar Teil umfassenderer Bemühungen zur Unterstützung der ukrainischen Wirtschaft und steht im Einklang mit dem Willen der Kommission, die Integration der Ukraine in die EU zu erleichtern, doch verdienen seine möglichen Auswirkungen auf den Honigsektor eine genauere Prüfung. Als Reaktion auf diese Bedenken hat BeeLife sein Mitgliedernetzwerk aktiv unterstützt, indem es einen Positionsbrief und eine Warnmeldung herausgegeben hat, in denen es seine Mitglieder dazu auffordert, sich an ihre jeweiligen nationalen Ministerien zu wenden, um das Bewusstsein für dieses Thema zu schärfen und eine koordinierte Reaktion zu fördern.


Helfen Sie ukrainischen Imkern. Schützen Sie EU-Honig

Der zentrale Widerspruch ist eklatant: Wie kann die EU ihr erklärtes Engagement für den Schutz sensibler Agrarsektoren wie der Imkerei mit einer Politik vereinbaren, die den Zustrom von potenziell nicht rückverfolgbarem, billigem Honig beschleunigt? Die neue Quote entspricht einer Erhöhung um 583 % gegenüber der im vorläufigen Abkommen von 2016 eingeführten zollfreien Freimenge von 6.000 Tonnen. Dieser dramatische Anstieg stößt auf Besorgnis, insbesondere angesichts der ohnehin schon prekären Lage der EU-Imkerei, die unter steigenden Kosten, sinkenden Umsätzen und unlauterem Wettbewerb leidet. Wie im Europäischen Honigmarktbericht berichtet wird: „Der europäische Honigmarkt steht vor einer Krise (...). Im Jahr 2022 deckte die EU nur 60 % ihres Honigbedarfs (...). Ein Großteil des importierten Honigs entspricht nicht den EU-Qualitätsstandards, häufig aufgrund falscher Kennzeichnung und zugesetzten Zuckersirupen.“


Diese Flut importierten Honigs drückt nicht nur die Preise in Europa, sondern lässt auch ernsthafte Zweifel an der Echtheit und Herkunft des Produkts aufkommen. Das Fehlen eines wirksamen und vollständig transparenten Rückverfolgungssystems bedeutet, dass Verbraucher möglicherweise Honig von ungewisser Qualität und Herkunft konsumieren.


Betrugsrisiken und Marktungleichgewichte

Die Anzeichen für eine systemische Anfälligkeit nehmen zu. In der ersten Hälfte des Jahres 2024 stieg die Einfuhr von ukrainischem Honig um 85 %, wobei einige Mitgliedstaaten einen Anstieg von über 200 % meldeten. Mit 54 000 Tonnen, die in diesem Sechsmonatszeitraum eingeführt wurden und sogar das Vorkriegsniveau übertrafen, sind die Glaubwürdigkeit dieser Zahlen und die Echtheit der Produkte fragwürdig.

Diese Entwicklung birgt die Gefahr einer langfristigen Schädigung der europäischen Imkerei, die bereits unter erheblichem Druck steht, da die Imker immer älter werden und es ihnen zunehmend schwerer fällt, die vielfältigen Herausforderungen zu bewältigen. Es besteht die konkrete Gefahr eines weiteren Niedergangs eines Berufsstandes, der unverzichtbare ökologische, kulturelle und gesellschaftliche Leistungen erbringt (Bestäubung, Erhaltung der ökologischen Funktionen, Förderung der biologischen Vielfalt und des Ökosystems).


Rückverfolgbarkeit muss an erster Stelle stehen

Ohne ein robustes und durchsetzbares Rückverfolgungssystem zur Überprüfung der Herkunft von importiertem Honig macht eine Ausweitung der Importquoten weder wirtschaftlich noch ethisch Sinn. Die EU muss sicherstellen, dass alle Honigimporte, die unter Präferenzbedingungen in die Union gelangen, vom Bienenstock bis zum Verkaufsregal transparent nachverfolgt werden können. Alles andere würde Betrug Tür und Tor öffnen, und es stellt sich die Frage, welche strategische Logik hinter weiteren Zollzugeständnissen steht, wenn der Binnenmarkt bereits Anzeichen von Ungleichgewichten und einer begrenzten Kontrolle aufweist.


Interne Produktion ignoriert, Importe gefördert

Das Abkommen mit der Ukraine ist kein Einzelfall. Ähnliche Handelsabkommen mit dem Mercosur und Mexiko sehen zusätzliche zollfreie Kontingente von 45.000 bzw. 35.000 Tonnen vor. Manuka-Honig ist zwar eine Nische für sich und ein eigener Markt (der sich durch deutlich höhere Preise auszeichnet), aber was ist mit Honig aus Vietnam? Oder Indien? Und den vielen anderen Quellen, die still und leise einen Markt prägen, der immer schwieriger zu regulieren und zu kontrollieren ist?

Was ebenfalls fehlt, ist eine zuverlässige Zusammenstellung aktueller Daten über die Honigproduktionsmengen in der gesamten EU. In Ermangelung regelmäßig konsolidierter Zahlen besteht die Gefahr, dass Entscheidungen auf veralteten oder fragmentierten Informationen beruhen. Der European Honey Market Report, bietet einen der wenigen umfassenden Einblicke in die aktuelle Lage des Honigmarktes und zeigt die wachsenden Herausforderungen für den Sektor auf.


Zeit für strategische Klarheit

Die EU muss entschlossen handeln, um die heimische Imkerei zu schützen. Zollfreie Kontingente sollten nur eingeführt werden, wenn die Rückverfolgbarkeit gewährleistet ist. Für Honig und andere sensible Produkte muss eine allgemeine Schutzklausel eingeführt und umgesetzt werden. Vor allem müssen Handelsabkommen nicht nur auf ihre geopolitische Zweckmäßigkeit hin überprüft werden, sondern auch auf ihre Vereinbarkeit mit den Zielen der Union in Bezug auf die Integrität des Binnenmarkts und die Nachhaltigkeit.

Andernfalls läuft Europa Gefahr, genau die Sektoren zu untergraben, die es zu schützen vorgibt – und zwar Stück für Stück.



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